NZeT

Nationales Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen
UNIVERSITÄTSKLINIKUM BONN

 



MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP)


Krankheitsbild


Die MUTYH-assoziierte Polyposis (kurz MAP) ist eine adenomatöse Polyposis Erkrankung, deren genetische Ursache erst im Jahr 2002 identifiziert wurde. Die MAP ist wie die seit langem bekannte familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) durch das Auftreten einer Vielzahl von Polypen des Dickdarms gekennzeichnet (histologisch größtenteils Adenome). Wie bei der FAP entwickelt sich aus den Polypen unbehandelt früher oder später mit großer Wahrscheinlichkeit Dickdarmkrebs (kolorektales Karzinom).


In der Regel ähnelt der klinische Verlauf aber eher dem der abgeschwächteren, milden Form der FAP (der attenuierten FAP oder AFAP). Das heißt, die Polypen treten bei der MAP in der Regel später und weniger zahlreich auf als bei der klassischen FAP, auch der Dickdarmkrebs tritt bei unbehandelten Patienten oft erst im fünften oder sechsten Lebensjahrzehnt auf. Allerdings ist der Verlauf auch innerhalb einer Familie variabel, in Einzelfällen kann der Darmkrebs deshalb relativ früh entstehen, auch wenn die Zahl der Polypen gering ist.


Adenome im Zwölffingerdarm (Duodenum) treten seltener als bei der FAP auf, in Einzelfällen sind allerdings auch hier schwerere Verläufe beschrieben. Krankheitssymptome außerhalb des Magen- und Darmtraktes scheinen nach dem heutigen Wissen im Gegensatz zur FAP selten vorzukommen.


Erbgang und Wiederholungsrisiko bei der MAP


Die MAP folgt einem autosomal-rezessiven Erbgang. Bei einem autosomal-rezessiven Erbgang entsteht das entsprechende Erkrankungsbild erst dann, wenn beide Kopien des Gens verändert (mutiert) sind. Beide Eltern dieser betroffenen Personen tragen das mutierte Gen nur auf einer Genkopie, die andere Genkopie ist unverändert und kann die Mutation ausgleichen. Sie sind daher gesund, aber sog. heterozygote Anlageträger. Die Geschwister einer erkrankten Person haben ein Risiko von 25 %, ebenfalls zu erkranken.


Erkrankte Personen geben an ihre Nachkommen eine veränderte Erbanlage weiter. Nur wenn der Partner einer erkrankten Person selbst Anlageträger oder selbst erkrankt ist, kann auch bei den Kindern einer erkrankten Person diese Erkrankung wieder auftreten.


Da die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer heterozygoten Mutation im MUTYH-Gen in der Allgemeinbevölkerung mit vermutlich 1-2 % niedrig ist, ist das Risiko für das Auftreten einer MAP bei den Kindern nicht miteinander verwandter Eltern ebenfalls niedrig (formalgenetisch vermutlich 0,5-1 %). Typischerweise treten autosomal-rezessiv vererbte Erkrankungen daher nur in einer Generation innerhalb einer Familie auf.


Genetische Grundlagen und molekulargenetische Diagnostik


Bei der für die MAP verantwortlichen Erbanlage handelt es sich um das MUTYH-Gen (MYH- Gen) auf Chromosom 1. Das MUTYH-Gen trägt die Erbinformation für die Bildung eines Eiweißstoffes (Proteins), der eine wichtige Rolle bei der Reparatur von Schäden (Mutationen) in der Erbsubstanz spielt.


Bestehen krankheitsverursachende Mutationen in beiden Kopien des MUTYH-Gens kann kein funktionstüchtiger Eiweißstoff mehr gebildet werden, dies führt zu einer Anhäufung von Mutationen in anderen Genen, wie z. B. dem APC-Gen, die dann die Bildung von Dickdarmpolypen zur Folge haben können. Anhand einer Blutprobe kann untersucht werden, ob Mutationen im MUTYH-Gen vorliegen (weitere Informationen zur Veranlassung einer Diagnostik finden einsendende Ärzte hier).


Werden bei der Untersuchung einer erkrankten Person zwei identische Mutationen im MUTYH-Gen identifiziert, spricht man von einer Homozygotie, werden zwei verschiedene Mutationen identifiziert von einer compound-Heterozygotie („zusammengesetzten“ Heterozygotie). Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die beiden Mutationen dann tatsächlich jeweils auf einer der beiden MUTYH-Genkopien liegen. Sehr unwahrscheinlich, aber denkbar ist allerdings ebenfalls, dass beide Mutationen zufällig auf einem Gen liegen und das andere Gen nicht betroffen ist. Eine sichere Aussage hierüber kann gegebenenfalls durch die Untersuchung von Blutproben anderer Familienmitglieder gemacht werden.


Vorhersagende (prädiktive) Diagnostik bei Risikopersonen


Nach dem molekulargenetischen Nachweis der MUTYH-Mutationen bei einer erkrankten Person können alle Risikopersonen in der Familie vor dem Auftreten erster Symptome molekulargenetisch getestet werden (sog. prädiktive oder vorhersagende Diagnostik). Dies ist insbesondere für die Geschwister einer betroffenen Person entscheidend, da bei Geschwistern nach dem autosomal-rezessiven Erbgang ein 25%iges Erkrankungsrisiko besteht.


Eine solche prädiktive Diagnostik wird im Rahmen einer humangenetischen Beratung durchgeführt. Nur die Träger zweier Mutationen mit einem hohen Erkrankungsrisiko sollten dann die engmaschigen Früherkennungsuntersuchungen wahrnehmen (siehe unten).


Krebs-Früherkennungs-Untersuchungen bei der MAP


Nachweisliche Träger von zwei krankheitsverursachenden Mutationen im MUTYH-Gen und alle Geschwister einer betroffenen Person, die sich nicht haben testen lassen (Risikopersonen), sollten engmaschige Früherkennungs-Untersuchungen durchführen lassen:


Nach den neuesten Empfehlungen der S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ sollte die erste Darmspiegelung (Koloskopie) bei einer MAP im Alter von 18-20 Jahren durchgeführt werden. Es sollte immer eine komplette Koloskopie durchgeführt werden, da die Polypen bei der MAP häufig auch im rechtsseitigen Dickdarm auftreten. Bei endoskopisch nicht beherrschbarer Polyposis ist ggf. eine Dickdarmentfernung (Kolektomie) notwendig.


Da der Ausbildungsgrad einer MAP auch innerhalb einer Familie sehr variabel sein kann und das Polypenwachstum mitunter erst im fortgeschrittenen Lebensalter beginnt, bedeutet ein unauffälliger Koloskopiebefund bei einer Risikoperson nicht, dass eine Anlageträgerschaft ausgeschlossen werden kann. Die Früherkennungs-Untersuchungen von Risikopersonen (insbesondere nicht prädiktiv getestete Geschwister einer betroffenen Person) und gesicherten Trägern von zwei Mutationen sollten deshalb bis ins höhere Lebensalter engmaschig erfolgen.


Eine Magen-/Zwölffingerdarmspiegelung soll ab dem 25.-30. Lebensjahr mindestens alle 3 Jahre durchgeführt werden.


Erkrankungsrisiko von heterozygoten Anlageträgern


Nach derzeitiger Erkenntnis haben heterozygote Träger einer pathogenen Mutation im MUTYH-Gen ein allenfalls geringfügig erhöhtes Risiko für Dickdarmkrebs im höheren Lebensalter (relatives Risiko von 1,5-2,1). Deshalb wurde in der Literatur zum Teil vorgeschlagen, für heterozygote Anlageträger Vorsorgeempfehlungen auszusprechen, wie sie die S3-Leitlinie derzeit für erstgradig verwandte Personen eines Patienten mit sporadischem Dickdarmkrebs empfiehlt. Dabei werden komplette Dickdarm-Spiegelungen (Koloskopien) 10 Jahre vor dem Erkrankungsalter der betroffenen Person (spätestens aber ab dem Alter von 40-45 Jahren) empfohlen. Die Darmspiegelung sollte in Rücksprache mit dem behandelnden Gastroenterologen mindestens alle 10 Jahre (beim Nachweis von Polypen ggf. öfter) wiederholt werden.


Humangenetische Beratung


Zur Erläuterung des Krankheitsbildes und der genetischen Grundlagen der MAP sowie zur Information über das persönliche Erkrankungsrisiko, die diagnostischen Möglichkeiten und die Früherkennungs-Untersuchungen empfehlen wir allen Betroffenen und Risikopersonen (Eltern, Geschwistern und Kindern einer erkrankten Person) die Inanspruchnahme einer humangenetischen Beratung (Anmeldung unter 0228/287-51000).


Selbsthilfegruppe


Patienten mit seltenen oder schweren Erkrankungen organisieren sich oft in Selbsthilfegruppen. Diese bieten die Möglichkeit des Erfahrungsaustausches zwischen Betroffenen, sie sammeln aber auch Informationen über diagnostische und therapeutische Fortschritte und vermitteln Kontakte, beispielsweise zu wichtigen klinischen Einrichtungen. Auch für Patienten mit einer FAP bzw. MAP existiert eine Selbsthilfegruppe. Bei Interesse können Sie sich an folgende Adresse wenden:


Familienhilfe Polyposis coli e.V.
Bundesverband
Am Rain 3a
36277 Schenklengsfeld
Tel.: 06629 / 1821
Fax: 06629 / 915193
E-Mail: info@familienhilfe-polyposis.de
Internet: www.familienhilfe-polyposis.de


Regionalgruppe Bonn
Jürgen Lorenz-Kimmich
Sankt Augustin
Tel.: 02241 – 65661
Mobil: 0177 – 2821805
E-Mail: j.lorenz-kimmich@familienhilfe-polyposis.de



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